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Der Architekt ist auch dann verpflichtet, eine Planung für ein dauerhaft mangelfreies Bauwerk zu erstellen, wenn der Auftraggeber damit einverstanden ist, dass bestimmte Bauleistungen (hier: Dehnungsfugen und Gefälle) aus Kostengründen nicht ausgeführt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 – 23 U 32/13).
Sachverhalt
Der Architekt wird 1999 beauftragt, die Sanierung von Mehrfamilienhäusern, die Ende der fünfziger Jahre gebaut wurden, zu planen und zu beaufsichtigen. 2003 zeigen sich Risse und weitere Schäden an den Balkonen der Häuser. Der Auftraggeber ist der Ansicht, der Architekt habe die Sanierung der Balkone falsch geplant und nicht hinreichend überwacht. Der Architekt hält sich nicht für verantwortlich. Er habe die Balkone stichprobenartig in Augenschein genommen. Einen Anlass für weitergehende Untersuchungen hätten diese Überprüfungen nicht gegeben und er habe darauf vertrauen dürfen, dass das beauftragte Bauunternehmen die für die Sanierung der Balkone erforderlichen Arbeiten fachgerecht ausführt. Der Auftraggeber veranlasst daher über ein selbständiges Beweisverfahren eine Begutachtung zur Klärung der Ursache der Schäden an den Balkonen. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, die Schäden resultieren insbesondere daraus, dass die in den fünfziger Jahren gebauten Balkone nicht durch Fugen unterteilt sind und zudem ein hinreichendes Gefälle zur Regenwasserableitung fehlt. Der Auftraggeber verklagt daraufhin den Architekten auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten, die der Auftraggeber anhand eines Angebots mit mindestens 60.000,00 Euro beziffert.
Entscheidung
Wie schon das Landgericht Düsseldorf als erste Instanz entscheidet auch das Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht mit Urteil – 23 U 32/13 – vom 19.11.2013, dass der Architekt zur Zahlung der Mängelbeseitigungskosten verpflichtet ist. In dem Rechtstreit argumentiert der Architekt, der Auftraggeber habe auf Fugen und die Herstellung eines ordnungsgemäßen Gefälles bewusst verzichtet. Über das Fehlen von Dehnungsfugen sei im Rahmen der Sanierungsplanung diskutiert worden. Das Einbringen von Fugen hätte zu einem massiven Kostenanstieg geführt, was der Auftraggeber nicht gewollt habe. Auch das unzureichende Gefälle der alten Balkone sei besprochen worden und sollte aus Kostengründen so belassen werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt zu dieser Argumentation des Architekten aus, dass das Einverständnis des Auftraggebers mit der geplanten Art und Weise der Sanierung die Haftung des Architekten nicht ausschließt. Aus dem Sachverständigengutachten folge eindeutig, dass der Architekt die Balkonsanierung falsch geplant habe, nämlich u. a. ohne Dehnungsfugen und ohne Gefälle. Auf das Einverständnis des Auftraggebers mit einer fehlerhaften Planung könne sich der Architekt zu seiner Entlastung nur berufen, wenn er den Auftraggeber auch auf die nahe liegende Gefahr von Rissbildungen hingewiesen und dem Auftraggeber damit die Möglichkeit zu einer sachgerechten Entscheidung gegeben hätte. Dazu, dass er den Auftraggeber eingehend auf die Risiken und Folgen der unzureichenden Sanierungsplanung hingewiesen und der Auftraggeber dadurch die Bedeutung und das Risiko der unzulänglichen Sanierung erkannt hat, habe der Architekt aber nichts vorgetragen. Dann sei er verpflichtet gewesen, eine zu einem dauerhaft mangelfreien Werk führende Sanierungsplanung unabhängig davon zu erstellen, ob der Auftraggeber – aufgrund einer unzureichender Aufklärung – geäußert hat, dass Fugen und ein Gefälle nicht hergestellt werden müssen.
Praxistipp
Der Architekt muss dem Auftraggeber die möglichen Risiken klar aufzeigen, die bei einer bestimmten Ausführung bestehen. Wenn sich der Auftraggeber in Kenntnis dieser Risiken - beispielsweise aus Kostengründen oder um eine schnellere Fertigstellung zu erreichen - für die Ausführung entscheidet, kann dadurch die Haftung des Architekten ausnahmsweise entfallen. Aus Beweisgründen sollten die Hinweise des Architekten und die Entscheidung des Auftraggebers zudem schriftlich dokumentiert werden. Im vorliegenden Fall hatte der Architekt den Auftraggeber wohl nicht darauf hingewiesen, dass die Sanierung der Balkone nicht lange hält, wenn darauf verzichtet wird, Dehnungsfugen einzuarbeiten und ein hinreichendes Gefälle herzustellen.
Der vorliegende Fall beinhaltet noch ein weiteres Problem, über das das Oberlandesgericht Düsseldorf aber nicht zu entscheiden hatte, nämlich ein Problem des Architekten mit seiner Berufshaftpflichtversicherung. Nach den Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung der Architekten und Bauingenieuren sind Schäden nicht versichert, die durch ein bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Verhalten verursacht werden. Sofern der Architekt argumentiert, er habe die erforderlichen Dehnungsfugen und das notwendige Gefälle nicht geplant, weil der Auftraggeber dies aus Kostengründen nicht wollte, besteht für den dadurch bedingten Schaden kein Versicherungsschutz. Denn der Architekt erklärt damit, dass er bewusst nicht DIN-gemäß und somit pflichtwidrig geplant hat. Kann der Architekt nicht nachweisen, dass er den Auftraggeber umfassend über die Risiken der nicht DIN-gerechten Ausführung belehrt hat, haftet er gegenüber dem Auftraggeber auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten und außerdem besteht für diese Kosten kein Versicherungsschutz.
Rechtsanwalt Zander, Hameln
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Notar
Das Urteil des OLG Düsseldorf - 23 U 32/13 - vom 19.11.2013 Lesen und Ausdrucken: olg_duesseldorf_urt._v._19.11.13.pdf (1722 KB)