Rechtsanwalt, Fachanwalt, Notar a.D.
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Kauft ein Verbraucher eine mangelhafte/fehlerhafte Sache, die er gemäß dem Verwendungszweck eingebaut hat (z. B. Bodenfliesen, Parkettstäbe, Spülmaschine), muss der Verkäufer nicht nur eine neue Sache liefern, sondern auf eigene Kosten die mangelhafte Sache auch ausbauen und die neue Sache einbauen oder die dafür notwendigen Kosten zahlen (EuGH, Urteil - Rs. C-65/09 und Rs. C-87/09 - vom 16.06.2011).
Sachverhalt
In dem einen Fall (Rs. C-65/09) wurden polierte Bodenfliesen für 1.382,27 € im Baumarkt gekauft. Nachdem der Käufer zwei Drittel der Fliesen in seinem Haus verlegt hatte, stellte er Schattierungen auf der Oberfläche der Fliesen fest. Der eingeschaltete Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Schattierungen um feine Mikroschleifspuren handelt und eine Mangelbeseitigung nur durch den kompletten Austausch der Fliesen möglich ist. Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige mit 5.830,57 €. Auf die Zahlungsklage des Käufers, der die 5.830,57 € vom Verkäufer verlangte, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass dem Käufer die Kosten für die Anlieferung mangelfreier Fliesen, für den Ausbau der bereits eingebauten Fliesen und die Entsorgung der Fliesen zustehen, aber nicht die Kosten für das erneute Verlegen der Fliesen. Der Bundesgerichtshof, der aufgrund der Revision des Verkäufers zu entscheiden hatte, war der Ansicht, dass der Käufer auch nicht die Kosten für den Ausbau und die Entsorgung der Fliesen verlangen kann. Weil sich dieser Anspruch jedoch aus Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 25.05.1999 ergeben könnte, legte der Bundesgerichthof mit Beschluss vom 14.01.2009 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) diese Frage zur Entscheidung vor.
In dem anderen Fall (Rs. C-87/09) hatte ein Frau eine Geschirrspülmaschine über das Internet zum Preis von 367,00 € gekauft. Vereinbart war Lieferung "bis zur Haustür". Nachdem ein Monteur im Auftrag der Käuferin die Spülmaschine in die Küchenzeile eingebaut und angeschlossen hatte, stellte sich heraus, dass die Maschine nicht funktioniert. Eine Reparatur war nicht möglich, weshalb nur der Austausch der Maschine in Betracht kann. Die Käuferin verlangte, dass die Verkäuferin zusätzlich zur Anlieferung der neuen Spülmaschine auf eigene Kosten auch die mangelhafte Maschine ausbaut und die Ersatzmaschine einbaut bzw. auch die Aus- und Einbaukosten trägt. Zur Übernahme der Aus- und Einbaukosten war die Verkäuferin nicht bereit. Deshalb trat die Käuferin vom Kaufvertrag zurück und verklagte die Verkäuferin auf Rückzahlung des Kaufpreises, worüber das Amtsgericht Schorndorf zu entscheiden hatte. Das Amtsgericht legte dem EuGH ebenfalls die Frage zur Entscheidung vor, ob der Käufer nach Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG verlangen kann, dass der Verkäufer die mangelhafte Maschine ausbaut und die neue Maschine einbaut bzw. die Aus- und Einbaukosten trägt.
Entscheidung
In beiden Verfahren entschied der EuGH mit Urteil - Rs. C-65/09 und Rs. C-87/09 - vom 16.06.2011, dass Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG dahin auszulegen ist, dass der Verkäufer entweder selbst den Ausbau vorzunehmen und die als Ersatz gelieferte Sache einzubauen oder die Kosten dafür zu tragen hat, wenn der vertragsgemäße Zustand einer Sache, die vor Feststellung des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß dem Verwendungszweck eingebaut wurde, nur durch eine Ersatzlieferung herzustellen ist. Zur Begründung führt der EuGH u. a. aus, wenn der Verkäufer die Aus- und Einbaukosten nicht übernehmen müsste, würde der Verbraucher mit zusätzlichen Kosten belastet, die er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Vertrages durch den Verkäufer nicht hätte. Die Ersatzlieferung würde dann entgegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG weder unentgeltlich noch "ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher" erfolgen. Die Übernahme der Kosten durch den Verkäufer entspreche dem Zweck der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.
Praxistipp
Bei den deutschen Gerichten gab es über Jahre eine unterschiedliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof entschied 2008 zu Parkettstäben, von denen sich einige Monate nach dem Verlegen die Buchendecklamelle von der darunter liegenden Weichholzschicht ablöste, dass der Käufer vom Verkäufer lediglich eine mangelfreie Ersatzlieferung verlangen kann. Das Oberlandesgericht Köln und das Oberlandesgericht Frankfurt urteilten, dass der Verkäufer die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und die Entsorgungskosten, nicht aber auch die Kosten für den Wiedereinbau der nachgelieferten Kaufsache zu tragen hat. Andere Oberlandesgerichte vertraten die Ansicht, dass der Verkäufer, der eine mangelhafte Sache verkauft, zur Lieferung einer mangefreien Sache verpflichtet ist und im Rahmen der Mängelbeseitigung zusätzlich die Kosten des Ausbaus und des Wiedereinbaus zu tragen hat. Diese unterschiedliche Rechtsprechung wird es aufgrund des Urteils des EuGH vom 16.06.2011 nicht mehr geben.
Rechtsanwalt Zander, Hameln
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Das Urteil des EuGH vom 16.06.2011 - Rs. C-65/09 und Rs. C-87/99 - lesen und ausdrucken: eugh_urt._v._16.06.2011.pdf (1327 KB)